THW: Die Einsatzkräfte und die Öffentlichkeit vertrauen uns ihr Leben an
Für die Beurteilung von Gefahrenlagen vertraut die deutsche Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) seit Jahren auf die Technologie von Leica Geosystems. Kevin Kärcher, THW-Fachberater im Ortsverband Weingarten, über Nutzen und Erfahrungen des Einsatzstellensicherungssystems (ESS) mit Leica-Geräten in Krisensituationen.
Kevin Kärcher, THW-Fachberater im Ortsverband Weingarten, über Nutzen und Erfahrungen des Einsatzstellensicherungssystems (ESS) mit Leica-Geräten in Krisensituationen: "Das Gerät muss immer funktionieren, in jeder Lage, und das tut es! Das tut es in 100% der Fälle. Das System hat uns noch nie im Stich gelassen."
F: Was ist der Hauptzweck des Einsatzstellensicherungssystems (ESS)?
Das ESS und unsere Arbeit dienen in erster Linie dem Schutz der Einsatzkräfte. Sie vertrauen uns ihr Leben an. Dies erfordert ein Höchstmaß an Professionalität, Verlässlichkeit und Umsetzungsstärke in der Mannschaft und bei der Ausstattung.
Beispielsweise dann, wenn wir morgens um halb vier Uhr in einem kleinen Mannschaftstransportwagen neben einem brennenden Gebäude stehen und Messdaten interpretieren. Wenn die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr in ein brennendes Haus laufen, verlassen sie sich mit ihrem Leben auf unsere Arbeit.
F: Stellt das ESS im Einsatzkatalog des THW somit etwas Besonderes dar?
Ja, weil es eine der ersten Optionen zum Schutz der Einsatzkräfte ist. Der Verlauf geht von erkunden über sichern zu abstützen. Bei jedem Einsatz wird das System zuerst eingemessen, danach beginnt die eigentliche Mess- und Scanning Tätigkeit und schliesslich die Interpretation der Daten. Wenn keine akute Gefährdungslage vorliegt, werden im zweiten Schritt die Abstützmassnahmen aufgrund der gesammelten Daten durchgeführt. Hierbei ist wichtig, dass nicht zu viel Druck und Bewegung in ein statisch undefiniertes System eingebracht wird..
F: Messen alleine genügt also nicht?
Nein. Aber das ist ein psychologisch spannendes Phänomen, das ich immer wieder beobachte. Feuerwehrkräfte und andere Fachleute sehen uns arbeiten und sagen: Ah, jetzt seid ihr vom THW ja hier und messt, also ist alles sicher! So ist das natürlich nicht. Wir müssen dann zuerst schnell und interdisziplinär gute Lösungen zur Absicherung finden
F: Herr Kärcher, was ist Ihr Aufgabenbereich?
Einerseits bin ich in ruhigen Zeiten als THW-Fachberater viel unterwegs. Will man eine Krise gut bewältigen, heisst einer der wichtigsten Grundsätze: Vor Krisen Köpfe kennen. Das bedeutet, dass ich das THW nach allen Seiten vernetze und z.B. Menschen der Krisenstäbe kennenlerne. Andererseits bin ich bei Einsätzen vor Ort. Bei einer Alarmierung fahre ich umgehend mit Blaulicht an die Einsatzstelle zur Unterstützung von Behörden, Feuerwehren oder der Polizei an. Dies gelingt nur mit der Unterstützung des persönlichen Umfelds, wie der Familie und dem Arbeitgeber. Der THW Ortsverband Weingarten begleitet rund 24 Einsätze pro Jahr.
F: Wie werden Sie aufgeboten?
Von der Feuerwehr – z.B. vom zuständigen Feuerwehrkommandanten eines Einsatzes, der Polizei oder von einer für die Gefahrenabwehr zuständige Behörde, wie z.B. dem Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe. Die Alarmierung erfolgt digital mit Funkmeldeempfängern über die integrierte Leitstelle Bodensee-Oberschwaben.
F: Vermessen Sie selber?
Ja. Ich habe bestimmt zweieinhalbtausend Stunden Vermessung hinter mir in allen Lebenslagen und natürlich trainiert, trainiert, trainiert. Wir wären heute aber nicht da, wo wir sind, wenn wir nicht auf die permanente Unterstützung von Leica Geosystems hätten zählen dürfen, vor allem von Andreas Schulze, Heiner Gillessen und Marcus Eichholz. Ohne Support und Rückfallebene geht es nicht. So erhielten wir beispielsweise den wertvollen Tipp, jeweils einen Kalibrierpunkt als fest definierte Messgrösse zur Verifizierung der Messdaten einführen.
F: Wie gelingt Ihnen die Arbeit als «Laienvermesser»?
Ein riesiger Vorteil ist, dass die Software von Leica einfach zu bedienen ist. Aber wenn man kein Vermesser ist, hat die Interpretation der Messdaten seine Tücken. Ein Beispiel ist die Refraktion. Also wenn Sie über heisse Oberfläche hinweg oder nach einem Brand in einer Tiefgarage mit Russpartikeln in der Luft messen, kommt es immer wieder zu Ablenkungen.
F: Welches Equipment nutzen Sie?
Die Leica MS50, die Leica Nova MS60 MultiStation und den Disto D8. Der grosse Vorteil ist, dass die Geräte kompatibel sind. Häufig binden wir das Disto als Einzelsensor ins System ein, um neben der Multistation etwas Zusätzliches messen zu können.
«Um Gefahrenlagen richtig einschätzen zu können,
müssen wir in der Lage sein, komplexe Strukturen messen und einfangen zu können.»
F: Was schätzen Sie an der Multistation, der Scanning-Totalstation von Leica?
Um Gefahrenlagen richtig einschätzen zu können, müssen wir in der Lage sein, viele Informationen in so kurzer Zeit wie möglich zu sammeln und komplexe Strukturen messen und einfangen zu können. Das ermöglicht uns die Multistation, die eine Totalstation und einen Laserscanner in einer Plattform kombiniert. Denn, wenn Sie quasi tachymetrisch nur einen Punkt messen, ist das zu wenig. Für das Restobjekt können Sie dann nichts tun. Mit dem Laserscanning können wir Arbeiten erledigen, die wir vorher nicht machen konnten und sind bei manchen Einsätzen viel schneller. Wir können in wenigen Minuten und mit größerer Genauigkeit als zuvor ein Gebäude von einem sicheren Blickwinkel vom Boden aus vermessen und müssen nicht beispielsweise auf eine Leiter steigen oder gefährlich nah an ein einsturzgefährdetes Gebäude herantreten. Daher ebenso wichtig ist der Sicherheitsaspekt. Ein wichtiger Nebeneffekt ist die Möglichkeit, die gescannten Punktwolkendaten mit der Software Leica Captivate vor Ort anzusehen. So kann man sichergehen, dass der Messtrupp alles erfasst hat, was benötigt wird, bevor die Mitarbeiter in die Einsatzzentrale oder ins Büro zurückkehren, um die Daten nachzuarbeiten. Dafür ist meistens keine Zeit während des Einsatzes. Die Multistation ist fürs THW auch so wichtig, weil wir uns flexibler an den Einsatzverlauf anpassen können.
F: Bei welchen Gefahrensituation setzen Sie die Multistation ein?
Die Multistation ist heute unverzichtbar für das THW und wird bei allen Arten von Einsätzen mit Gefahrenlagen eingesetzt.
Also bei Bränden, Explosionen und allen weiteren Krisensituationen, bei denen akute Einsturzgefahr droht, beispielsweise bei beschädigten Brücken oder Industrieanlagen. Wir nutzen das ESS aber auch bei einem drohenden Einsturz von Baugruben oder Hangrutschungen. Bei einer hangrutschenden Überwachung sagte uns ein Bewohner einst: Seit ihr hier seid und messt, kann ich das erste Mal seit Monaten wieder ruhig schlafen.
F: Womit haben Sie vor der Multistation gemessen?
Mit dem Laserdistanzmessgerät Leica Disto D8. Erstmals haben wir es 2012 eingesetzt, als in Bad Waldsee ein altes, denkmalgeschütztes Gebäude in Vollbrand stand. Wir überwachten das Gebäude mit dem Disto D8, da der freistehende Giebel abzustürzen drohte. Den Disto D8 haben wir ständig manuell ausgelöst – klick, klick, klick – und die ganze Zeit versucht, den Giebel einzufangen, um die Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Als dann die Multistation auf den Markt kam, war das ein Quantensprung.
F: Welches Ereignis blieb Ihnen in all den Jahren beim THW in besonderer Erinnerung?
Einer der spannendsten Einsätze war der Tiefgaragenbrand 2014 in Ravensburg.
Bei diesem Ereignis haben wir das ESS erstmals eingesetzt. Ein Fahrzeug war ins zweite Untergeschoss der Tiefgarage gefahren und hatte sich spontan entzündet. Da stellte sich rasch die Frage, wie sich die hohe Brandtemperatur von 800 bis 1’000 Grad auf die Reststruktur der Tiefgarage mit weiteren Fahrzeugen auswirken wird. Wir nutzten dann die Abkühlphase für Messungen mit dem ESS, um mit Fachberatern Bau von THW und Feuerwehr, die Stabilität der Tiefgarage zu beurteilen.
F: Hat Sie Leica's Multistation je im Stich gelassen?
Nie. Beim Tiefgaragenbrand und vielen weiteren Fällen war die Robustheit des Geräts extrem gefordert. Wir arbeiten in Umgebungen mit Russ, Wasser, Wind, hohen Plus- und Minustemperaturen und äusseren Witterungsumständen. Das Gerät muss immer funktionieren, in jeder Lage, und das tut es! Das tut es in 100% der Fälle. Das System hat uns noch nie im Stich gelassen.
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Zur Person
Kevin Kärcher ist seit 1998 THW-Fachberater im Technischen Hilfswerk beim Ortsverband Weingarten (Baden-Württemberg) im Ehrenamt. Sein Arbeitgeber ist Schuler Pressen GmbH, der weltweit grösste Pressen- und Umformhersteller mit über 5'000 Mitarbeitenden. Als Head of Engineering führt Kevin Kärcher dort die Abteilungen Mechanik, Elektrik und Real Time. Zudem ist er Lehrbeauftragter an der Hochschule Ravensburg-Weingarten im Bereich Umformtechnik und Umformmaschinen. Der 45-jährige lebt mit seiner Familie bei Weingarten.
About the THW
Das Technische Hilfswerk (THW) ist die Einsatzorganisation des Bundes und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Das THW unterstützt seit mehr als 70 Jahren Menschen in Not durch technische Hilfe. Seine Struktur ist weltweit einmalig, denn 98 Prozent der Angehörigen engagieren sich ehrenamtlich im THW. Die bundesweit 88’000 ehrenamtlichen Angehörigen sind in bundesweit verteilten 668 Ortsverbänden organisiert. Unterstützt werden sie von den mehr als 2’100 hauptamtlichen Mitarbeitenden.
Author:Manuel Huber
www.huberkom.ch
Editor: Malgorzata Krol
Global Director Marketing Communications - Public Safety & Forensics
Hexagon Geosystems