Scannen bis zum Umfallen
Als sich ein internationaler Einzelhandelskonzern an das australische Vermessungsunternehmen Project Surveyors wandte und Interesse an einem exakten architektonischen und strukturellen Revit-Modell des zweitgrößten Einkaufszentrums des Landes bekundete, nahm Project Surveyors die Herausforderung an. Sobald klar war, dass die Daten binnen 90 Tagen geliefert werden mussten, wussten die sieben Vermessungstechniker, die sich bei Project Surveyors mit Laserscanning beschäftigen, was sie bis dahin erwartete: Scannen bis zum Umfallen.
Das Einkaufzentrum in Sydney wird derzeit umgebaut, und der Auftraggeber benötigte ein vollparametrisches Gebäudemodell (BIM) zur präzisen Planung der anstehenden Arbeiten durch Architekten, Ingenieure und Liegenschaftsverwaltung. Angesichts der 375.000 Quadratmeter großen Fläche des Einkaufszentrums, einschließlich verschiedener Erschwernisse wie unterschiedlicher Geschoss- und Geländehöhen sowie Anbauten in allen Formen und Größen, zeigte sich rasch, dass sich Project Surveyors auf einen der schwierigsten Aufträge seiner 43-jährigen Unternehmensgeschichte eingelassen hatte.
„Die enormen Abmessungen und der komplizierte Aufbau des Gebäudes zwangen unsere Techniker dazu, ihre Scanpositionen und andere Aspekte zur Registrierung der Scans exakt zu dokumentieren“, erklärt Andy Jackson, der BIM-Verantwortliche bei Project Surveyors. „Durch den Einsatz der Instrumente und Software von Leica Geosystems ist uns das gut gelungen.“
SCANNEN UND MODELLIEREN MIT EINEM GUTEN GEFÜHL DER SICHERHEIT
Zur Erfassung, Modellierung und Auswertung der Daten nutzte Project Surveyors eine ganze Reihe von Produkten und Lösungen aus dem Hause Leica Geosystems. Unter Verwendung der Leica ScanStations C10 und P20 erfassten die Vermessungstechniker alle Ecken und Winkel bis ins kleinste Detail. Aufgrund ihres großen Messbereichs diente die Leica ScanStation C10 für die Außenfassaden und für ausgedehnte Innenflächen wie die Parkgaragen. Für die Datenerfassung im Inneren des Einkaufszentrums wurde die Leica ScanStation P20 gewählt, weil sie zuverlässige Daten generiert. „Die kurzen Erfassungszeiten der P20 halfen uns bei der Optimierung unserer Abläufe und ermöglichten uns eine Vervierfachung der pro Tag durchgeführten Scans“, stellt Jackson zufrieden fest.
Für die Vermessungskontrolle fiel die Wahl von Project Surveyors auf die Leica TS15 und die Leica Nova MS50 MultiStation. Die MultiStation wurde außerdem zum Scannen von Fenstern zur einfacheren Datenerfassung genutzt. Mit Hilfe dieser Messsysteme sowie eines Festpunktnetzes entlang der Geländegrenzen und auf jeder Etage des Einkaufszentrums ließen sich die Scans der nachträglichen Anbauten millimetergenau ausrichten. Die Scanziele wurden innerhalb des Festpunktnetzes zur Wahrung der Genauigkeit der Punktwolken koordiniert.
Insgesamt erfolgten im Rahmen des Projekts 3.700 Scans an 55 Tagen. Die im Zuge dieser Scans generierten Punktwolken wurden bereinigt und mit Leica Cyclone 9.0 registriert. Durch die neue Funktion der Software zur automatischen Registrierung dauerten die gesamten Arbeiten nur 20 Tage. Im Vergleich zur visuellen Registrierung zweier Wolken, bei denen die Suche nach gemeinsamen Punkten rund zwei Minuten dauert, erfordert die automatische Registrierung nur 30 bis 60 Sekunden. „Wenn es nur um einige wenige Scans geht, ist der Zeitunterschied vernachlässigbar, aber in unserem Fall handelte es sich um tausende, sodass uns die automatische Registrierung einiges an Zeit sparte“, ist Jackson sicher. „Durch diese Zeitersparnis hat sich unsere Produktivität um mindestens 50 Prozent erhöht.“
Project Surveyors nutzte außerdem Leica TruView, um den Architekten die Punktwolkendaten zur Verfügung zu stellen, aus denen diese in Verbindung mit dem Modell zusätzliche Informationen wie Maße als präzise, realistische Planungsgrundlage entnehmen konnten. „Die Lieferung von Leica Truview Bildern wurde vom Kunden gewünscht. Die Bilder erwiesen sich jedoch auch als wertvolle Verständnishilfe bei der Modellierung“, weiß Jackson.
Autodesk Revit 2014 diente zur Modellierung der architektonischen Elemente, während Autodesk Revit Mechanical, Electrical, Piping (MEP) für die Definition von Rohren, Anlagen, Schächten und dergleichen zur Erstellung eines teilweisen MEP-Modells der Verladerampen verwendet wurde. Da der Umfang und Detaillierungsgrad dieses Projekts so groß war, dass die Modellierung durch eine einzelne Person 120 Tage gedauert hätte, stellte Project Surveyors ein ganzes Team zusammen, das über ein leistungsfähiges Netzwerk an einem gemeinsamen Modell arbeitete.
Über die Exportoption von Leica Cyclone 9.0 exportierten die Datenspezialisten die Punktwolken entweder einzeln als binäre PTG-Dateien oder gemeinsam im PTS-Format. Anschließend wurden die Dateien mit Autodesk Recap in autodesk-kompatible RCS-Dateien konvertiert, die anschließend in Revit geöffnet und für die Modellierung benutzt werden konnten. Durch die Verwendung von Leica Cloudworx for Revit würden die Export- und Konvertierungsschritte entfallen, so Jackson. Für die Modellierung würden dann Tools zur Umwandlung der Punktwolken zur Verfügung stehen. Gleichzeitige gäbe es anstelle mehrerer Dateien und Dateiversionen nur noch eine einzige „Master“- Datenquelle.
„Es stehen bereits weitere vergleichbare Projekte an. Dabei arbeiten wir wieder mit denselben Partnern zusammen, die dem Projektträger unser Datenmodell als Beispiel dafür vorgelegt haben, welche Ausgangsdaten sie für ihre Tätigkeit benötigten“, verrät Scott Deveridge, der Geschäftsführer von Project Surveyors. „Ein Folgeauftrag für ein ähnliches Vorhaben ist doch wirklich das beste Feedback, das man als Dienstleister vom Kunden bekommen kann.“
IMPULSE VON DER HXGN LIVE
Nach dem Besuch der HxGN LIVE 2014 in Las Vegas, der Branchenkonferenz, die nur wenige Monate vor dem Projektstart stattfand, beschloss man bei Project Surveyors, die Gelegenheit zu nutzen, beim Scannen des Einkaufszentrums einige der von der Konferenz mitgebrachten Impulse in die Tat umzusetzen. Tatsächlich ließen sich mit Hilfe dieser neuen Ideen Zeiteinsparungen von etwa 75 Prozent erzielen.
Durch die automatische Registrierung konnte das Unternehmen seine Abhängigkeit von Zielmarken reduzieren. Außerdem wurde eine geringere Auflösung gewählt, der Scanner blieb bei Positionswechseln eingeschaltet und zum schnelleren Transport wurde ein Stativ mit Rollen gebaut.
„Früher haben wir nur ca. 16 Scans pro Tag geschafft. Ausgerüstet mit dem Wissen, das wir von der HxGN LIVE mitgebracht haben, führen wir mittlerweile 60 bis 80 Scans täglich durch“, erklärt Jackson. „Registrieren können wir mittlerweile um die 30 Scans pro Stunde. Das ist in etwa das Doppelte im Vergleich zu früher. Alles in allem sind das ganz erhebliche Effizienzsteigerungen – und damit Kosteneinsparungen –, die wir hier erzielt haben.“
Als das Projekt dann im Jahr darauf auf der HxGN LIVE 2015 in Las Vegas vorgestellt wurde, erntete es auch sofort eine Auszeichnung beim alljährlichen HDS Plan Contest von Leica Geosystems. Eine Jury aus 11 anerkannten Fachleuten bewertete die 24 eingereichten Datenprodukte auf der Grundlage ihrer Vollständigkeit und Brauchbarkeit, der kreativen Nutzung von Punktwolken und Modellen und des Gesamteindrucks. Mit seinem Modell des Einkaufszentrums in Sydney landete Project Surveyors unangefochten auf Platz eins in der Kategorie Gebäude und Baudenkmäler.
„Unser Team hat hart gearbeitet, und natürlich sind wir immer auf der Suche nach innovativen Lösungen, die uns die Arbeit erleichtern“, so Jackson. „Diese Auszeichnung ist eine schöne Bestätigung für unsere fachliche Qualifikation und demonstriert unsere Bemühungen, bei unseren Kunden gute Arbeit abzuliefern.“
EIN MUSTERBEISPIEL
Eine weitere Dimension des Projekts ist der innovative Einsatz der HDS-Technologie in der Gebäudedatenmodellierung. Durch die Anwendung unterschiedlicher HDS-Lösungen vor Ort und am Schreibtisch gelang es Project Surveyors, Gebäudedaten auf einer gemeinsamen Plattform zur Zusammenarbeit zu organisieren.
„In der BIM hilft uns die Laserscanning-Technologie dabei, uns ein Bild von den bestehenden Anlagen und den anstehenden Aufgaben zu machen und anschließend zu kontrollieren, ob die Bauarbeiten korrekt durchgeführt worden sind“, sagt Jackson. „Die Anwendung von Laserscanning für die Zwecke der BIM erlaubt uns die Erstellung von Datenprodukten mit Mehrwert für unsere Kunden.“
Dieses Projekt ist ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten der Digitalisierung der Realität. Die mittels HDS erfassten Daten des Istzustands werden in Softwareprogrammen wie Leica Cyclone oder CloudWorx für Revit zu realistischen, voll funktionsfähigen Modellen aufbereitet. Wenn auf dem Gelände Veränderungen vorgenommen werden, können die Daten exakt angepasst werden, damit jederzeit fehlerfreie, aussagekräftige Informationen vorliegen.
„Die HDS-Technologie bietet die benötigten Tools und Workflows zur präzisen und nachhaltigen Erfassung digitaler Daten binnen weniger Minuten“, erklärt Faheem Khan, Vice President und Leiter Geschäftsentwicklung bei Leica Geosystems HDS. „Mit unseren Lösungen wollen wir die Erfassung, Verwaltung und Bereitstellung von Daten und Informationen für alle Arten von Nutzern unterstützen. Dazu bieten wir gut durchdachte, schnelle und zuverlässige Hardware- und Softwarelösungen, die für alle Projektgrößen, Branchen und Anwender geeignet sind.“