Flugzeug-basierter Lasersensor mit hoher Punktdichte ideal für anspruchsvolle Küstenmessungen auf Sylt
Die finnische Firma Arctia-Meritaito erstellt mit dem für Lasermessungen aus Flugzeugen konzipierten Bathymetriesensor Leica Chiroptera 4X ein digitales Geländemodell für den nahtlosen Übergang von flachen Küstengewässern zu den anschliessenden Küstenregionen an Land auf der norddeutschen Ferieninsel Sylt.
Bathymetrische Messungen aus Flugzeugen bieten die einzigartige Möglichkeit, mit von Lasern produzierte Punktwolken und Luftbildern, Küstenregionen zu erfassen. Auf diese Weise generierte Daten liefern wertvolle Einblicke in Umweltbedingungen, unterstützen Forschung und Planung zum Schutz gefährdeter Küstenregionen und tragen zur Sicherheit der Seeschifffahrt bei.
Messungen in Küstengewässern stehen vor besonderen Herausforderungen, die stark durch die Qualität der Gewässer – zum Beispiel durch aufgewirbelten Sand, Algen oder Seegras beeinflusst werden. Die rauen Bedingungen der Nordsee mit Stürmen und hohem Wellengang verschärfen diese Probleme und erklären die Notwendigkeit einer schnellen Datenerfassung bei günstigen Witterungsbedingungen. Arctia-Meritaito konnte mithilfe luftgestützter bathymetrischer und topografischer Aufnahmen durch den Einsatz des Lasersensors Chiroptera 4X von Leica Geosystems diese Messungen in dem engen Zeitfenster mit günstigen Wetterbedingungen auf der beliebten Ferieninsel mit dem berühmten 40 Kilometer langen Weststrand erfolgreich durchführen.
Norddeutsche Insel Sylt an der Grenze zu Dänemark
Gefahren für den Weststrand
Sylt liegt am äußeren Rand des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres zwischen 9 und 16 km vor dem Festland. Während andere Inseln in der Nordsee von ausgedehnten Gezeitensand- und Wattenmeeren umgeben sind, die die Küsten schützen, liegt die Westküste von Sylt völlig ungeschützt und den Kräften des Wassers ausgesetzt.
Raue Wetterbedingungen und starke Strömungen durch Ebbe und Flut, Stürme und Wellen mit einer Höhe bis zu 10 Metern bedrohen und verändern die Küstenlinien permanent. Diese Bedrohungen zu beobachten und den Veränderungen mit der kontinuierlichen Erosion der Sandstrände wirkungsvoll entgegen zu wirken, ist Aufgabe des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein. Seit den 1980er Jahren setzt die Behörde darauf, die Strände durch Sandaufspülungen zu stabilisieren und den Naturgewalten durch den Einsatz natürlicher Massnahmen zu trotzen, statt künstliche und hässliche Betonkonstruktionen dafür einzusetzen.
Flugzeug-basierte Bathymetrie beste Methode
Zuständig für die Erstellung von Küstenschutzplänen und die Durchführung geeigneter Massnahmen, hat sich der Landesbetrieb in den vergangenen Jahrzehnten mit unterschiedlichen Technologien beschäftigt, die effektivsten Methoden zum Erhalt der Küstenlinien zu ermitteln.
In der Vergangenheit wurde die Erfassung des Meeresbodens von Vermessungsschiffen durchgeführt. Für Profillinien mit einer Gesamtlänge von circa 1100 km wurde bei der täglich variierenden Tide ein Zeitraum von etwa 4 Wochen benötigt. Durch ein 400 bis 500 m vor der Küste liegendes Riff, in dem die Wassertiefen von -6 auf -3 m ansteigen, wurden diese Messungen erheblich erschwert. Von See kommend hat die Nordsee vor Sylt Tiefen von etwa -10 m. Das Riff und die abnehmenden Tiefen in Küstennähe waren für die Messungen schon immer problematisch, weil ständig die Gefahr bestand, Messgeräte oder das Schiff zu beschädigen.
In früheren Jahren durchgeführte Pilotversuche mit bathymetrischen Messungen aus Flugzeugen zeigten vielversprechende Ergebnisse. 2020 wurde Arctia-Meritaito schliesslich ausgewählt, um Sylt mit dem Leica Chiroptera 4X-Bathymetriescanner aus der Luft aufzunehmen. Der Sensor kann unter guten Bedingungen Daten bis etwa 25 m Wassertiefe aufnehmen. Bei idealen Verhältnissen sogar bis zu 30 m Tiefe und mehr. Das elliptische Scanmuster erfasst eine Vorwärts- und eine Rückwärtsansicht, um zwei Datensätze desselben Punktes zu erhalten, was das durch Wellen verursachte Bildrauschen reduziert und die Tiefenerfassung erhöht. Zusätzlich werden durch die schräge Ansicht des Laserstrahls Daten von den Seiten vertikaler Objekte erfasst. In den Küstengewässern vor Sylt konnten mit der Chiroptera 4X trotz Wellen und Wassertrübung Tiefen bis 10 m erreicht werden, um den Meeresboden zu erfassen. Diese Tiefe war völlig ausreichend, um die Anforderungen und Ziele des Projekts zu erfüllen.
Foto von Sylt aufgenommen aus dem Vermessungsflugzeug
„Bathymetrische Laservermessung aus einem Flugzeug ist die geeignetste Methode, um das Sylter Küstengebiet und speziell die Übergangszone von Wasser zu Land zu erfassen“, sagt Lutz Christiansen, Leiter Vermessung, Topographie, Morphologie beim Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein. „Nur durch die Luftaufnahmen konnte gewährleistet werden, die Messungen in dem kleinen Zeitfenster bei günstigen Witterungsbedingungen mit Ebbe und Ostwind durchführen zu können. Arctia-Meritaito hat mit Leica-Equipment und den Messungen aus dem Flugzeug die geforderte Tiefe und Genauigkeit der Daten erreicht, wodurch die Risiken der Messungen mit Schiffen vermieden werden konnten. Basierend auf diesen Ergebnissen werden die Messungen in Zukunft alle drei Jahre durch bathymetrische Luftaufnahmen ausgeführt.“Enges Zeitfenster
Die größte Herausforderung der Datenerfassung bei diesem Projekt war das Timing. Perfektes Timing bedeutete: sauberer Datensatz, schnell zu verarbeiten. Schlechtes Timing hiess: verrauschter Datensatz, Spezifikation schlecht oder gar nicht erfüllt. Die Küstengewässer um Sylt produzieren gleich mehrere Probleme: Zu viel Wind erzeugt hohe Wellen und damit Schaumkronen, Algen und Sand trüben das Wasser und verfälschen die Lasersignale.
"Zum richtigen Zeitpunkt bereit zu sein und das Beste aus guten Wetterbedingungen zu machen, erfordert Einsatz und Mühe", erklärt Mikko Ojala, Leiter der Flugzeug-basierten LiDAR-Bathymetrie bei Arctia-Meritaito. "Witterungs- und die Bedingungen in der See können sich sehr schnell ändern. Wir können keine Lasermessungen durchführen, wenn es regnet, und die bathymetrische Vermessung aus der Luft wird durch viele Faktoren negativ beeinflusst, die die Wassertrübung erhöhen. Wenn die Bedingungen stimmen, müssen Team und Ausrüstung funktionieren und einsatzbereit sein."
Frühling und Herbst bieten normalerweise die günstigsten Bedingungen, da es zu diesen Zeiten in der Nordsee keine Algen und kein Eis gibt. Allerdings ist der aus feinem Sand bestehende Meeresboden immer in Bewegung und verursacht Trübungen. Da sich der Meeresboden häufig verändert, stimmen überlappende Daten, die im Abstand mehrerer Tage gesammelt werden, nicht überein, was die Verarbeitung verlängert. Es ist entscheidend, das gesamte Projektgebiet so schnell wie möglich abzudecken, um die Konsistenz der Erfassung zu maximieren. Um topografische und bathymetrische Daten der Westküste sowie des Süd- und Nordendes der Insel zu erfassen, hatte Arctia-Meritaito den Juni 2020 als gut geeigneten Zeitrahmen definiert. Mit diesen Überlegungen und entsprechenden Vorbereitungen gelang es dann auch in der Tat, das 70 km² grosse Gebiet innerhalb von zwei Tagen in fünf Flugstunden zu erfassen.
"Wir haben das gesamte Gebiet mit nur zwei Flügen erfasst und nur einem Tag Unterbrechung geflogen. Und trotz dieser relativ kurzen Pause hatte sich der Meeresboden zwischen beiden Flügen signifikant verändert," sagt Ojala. "Für die Verarbeitung der Daten, war eine nicht unbeträchtliche Herausforderung, weil es an einigen Stellen zwei Meeresböden gab, bei denen die Daten des früheren und späteren Fluges nicht überein stimmten."
Zur Verarbeitung der aus den Luftaufnahmen gewonnenen Punktwolken setzte Arctia-Meritaito ein Softwarepaket von Terrasolid, die hydrographische Software QPS und Leica LiDAR Survey Studio (LSS) ein, um alle Wellenform- und Positionsdaten, sowie die 4-Band Kameradaten der Chiroptera 4X zu prozessieren. Arctia verfügt dazu über ein Laser-spezifisches Verarbeitungssetup, das auf Empfehlungen von Leica Geosystems basiert.
Messergebnisse ermöglichen bessere Analysen und Entscheidungen
Um qualitativ hochwertige Messergebnisse zu gewährleisten, die für künftige Entscheidungen zum Schutz und Erhalt der Küsten von Sylt von Bedeutung sind, wurde im Ausschreibungsverfahren bereits festgelegt, dass die Messungen nur unter günstigen Bedingungen – bei Ostwind und Ebbe - durchgeführt werden sollten. Zu den zu liefernden Daten gehörten Punktwolken mit Klassifizierungen (1-m- und 10-m-Raster) und Orthofotos. Die Höhengenauigkeit musste besser sein als 20 cm und die Lagegenauigkeit besser als 50 cm. Die Prozessierung wurde komplett von Arctia-Meritaito durchgeführt, die Ergebnisse etwa acht Wochen nach der Datenerfassung geliefert.
"Wir haben eine minimale Punktdichte von 5 Punkten pro Quadratmeter (p/qm) im Wasser erreicht und konnten damit zeigen, dass die Chiroptera 4X die allgemeinen Anforderungen der Industrie für Messungen in Küstengewässern erfüllt", sagt Ojala. "Darüber hinaus ist die Erfassung der bathymetrischen und topographischen Daten, zusammen mit den gleichzeitig aufgenommenen Luftbildern, sehr effizient und erzeugt einen nahtlosen Datensatz für den Übergang von Land zum Meer."
Westküste Sylt, aufgenommen mit Leica Chiroptera 4XDie Messergebnisse zeigen detailliert den aktuellen Zustand der Küstenlinien und ermöglichen weitere Analysen. Im Vergleich zu früheren Messungen zeigt die Erfassung von 2020, dass die Sandaufspülungen seit den 1980er Jahren zum Schutz der Küste beigetragen haben. Lutz Christiansen, Leiter Vermessung, Topographie und Morphologie beim Landesbetrieb Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein, beabsichtigt, die Überwachung der Sylter Küsten mit periodischen Bathymetrie-Messungen im Abstand von drei Jahren fortzusetzen.
"Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Die Leica Chiroptera 4X erreichte die geforderte Tiefe", sagt Christiansen. "Datendichte, Genauigkeit und die Art der Verarbeitung erfüllen all unsere Qualitätskriterien. Es ist ein ausgezeichnetes Projekt, das den aktuellen Status der Westküste und der gesamten Küstentopografie liefert. Damit haben wir jetzt ein digitales Geländemodell von der Steilküste mit bis zu 20 m Höhe bis hinunter zu -10 m Wassertiefe."
Ergebnisse der flugzeuggestützten Bathymetrie mit Leica Chiroptera 4X
Entwicklung Flugzeug-basierter, bathymetrischer Lasermessungen
Arctia-Meritaito ist spezialisiert auf hydrographische Messungen, Fahrrinnenpflege und Seeschifffahrt, die mit einer Flotte von eisbrechenden Schiffen und Vermessungsschiffen durchgeführt wird. Mit seinen Wurzeln, die bis zur finnischen Schifffahrtsverwaltung und ihren Vorgängern zurückreichen, verfügt das Unternehmen über hochqualifizierte Fachleute, die mit den unberechenbaren Gewässern des finnischen Archipels und der umliegenden Region vertraut sind.
Traditionell untersuchte Arctia-Meritaito geringere Tiefen mit Schiffen, die mit Einkanal-Echolot ausgestattet waren. Die Messungen erzeugten Tiefenprofile in definierten Intervallen, ermöglichten aber nicht die vollständige Erfassung der Räume zwischen den Profilen. Einkanal-Echolot-Messungen hinterlassen daher erhebliche Datenlücken zwischen den Intervallen.
Bessere Ergebnisse liefert in jüngerer Zeit das Fächer-Echolot. Damit werden die Datenlücken zwar kleiner, die nahtlose Erfassung des Meeresbodens beim Übergang von Wasser zu Land ist aber auch damit nicht möglich. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko, dass Schiff oder Messequipment beschädigt oder gar zerstört werden, je flacher das Wasser wird oder wenn unbekannte Untiefen auftauchen.
2015 wurde vom finnischen Hydrographischen Amt ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem die Leistung verschiedener, Flugzeug-basierter, bathymetrischer Lasersensoren verglichen wurde. Dieses Projekt zeigte, dass luftgestützte Lasermessungen die geforderten Genauigkeitsstandards in flachem Wasser erfüllen können. In einem Folgeprojekt 2016 wurden die Ergebnisse Flugzeug-basierter Lasermessung mit denen von Einkanal-Echoloten und Fächerecholoten verglichen. Auch diese Vergleiche waren bezüglich Genauigkeit der Flugzeug-basierten Messungen zufriedenstellend. Arctia-Meritaito ergänzte daraufhin sein Equipment mit einem luftgestützten Bathymetrie-Sensor.
"Es gab noch andere Sensoren im Pilotprojekt 2015, aber wir sahen, dass der Leica Chiroptera 4X Sensor die vielversprechendsten Ergebnisse lieferte", sagt Ojala. "Indem wir Einkanal-Echolote durch luftgestützte Laser ersetzen, generieren wir vollständige Abdeckung in flachen Gewässern bis zu einer Wassertiefe von 25 m, abhängig von den Wasserbedingungen. Gleichzeitig minimieren wir die Risiken, Messequipment zu verlieren oder Schiffe zu beschädigen. Jetzt sind wir in der Lage den Übergang Wasser-Land in einem Arbeitsgang zu erfassen, statt die beiden Bereiche von unterschiedlichen Teams, mit unterschiedlichem Equipment, ohne Lücken in der Abdeckung zu vermessen."
Der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein evaluiert seit 1992 die luftgestützte, bathymetrische Laser-Technologie. 2015 zeigten die Ergebnisse mit einem Sensor für Flugzeug-basierte Tiefsee-Messungen im Vergleich zu anderen Methoden zur Flachwasser- und Tiefseemessung, dass luftgestützte Lasermessungen geeignet sind, Gewässer bis zum 3-Fachen der sogenannten «Secchi-Tiefe» zu durchdringen. Die «Secchi-Scheibe» ist ein Hilfsmittel, mit dem die Trübung von Gewässern beispielsweise durch Sand oder Verunreinigung ermittelt wird.
Durch Fortschritte in der Lasertechnologie und weiter entwickelter Algorithmen ist es heute möglich, mit einem Flachwassersensor, wie der Leica Chiroptera 4X, Tiefen von -25 m und mehr zu erreichen, die früher nur mit einem Tiefseesensor oder Echolot erreichbar waren.